Das »Haus der Sprache« ist ein geistiger Lebensraum der Kunst im Sinne einer fortschreitenden anthroposophischen Wissenschaft. Es ist getragen vom Willen, sich der Wirkkraft des Logos zu verbinden und einer neuen heilkünstlerischen Sprachgestaltung zu ihrem Recht zu verhelfen. In immer weitergehenden Schritten, den sprechenden Menschen aus der Zukunft heraus zu verstehen, ihn innerlich zu beleben und in der Heilkraft der Sprache zu stärken und zu gesunden, wollen verwandelte Geistsubstanzen der Anthroposophie zu beseeltem Bewusstsein und zu schöpferisch tätiger Anwendung im allgemeinmenschlichen Leben kommen.
»Wann wird der Tag kommen, der die Empfindung zurückgibt für des Wortes Heil- und Zauberkräfte?«, fragte Marie Steiner-von Sivers im Jahr 1924. Indem sie jene durch die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners verwandelte und erweiterte Kunst der Sprachgestaltung unablässig pflegte und dahingehend vertiefte, dass die Heilkräfte der Sprache geweckt, erkannt und im Raum des Atems zur Anwendung gebracht werden konnten, hat sie uns gezeigt, dass aus der alle Künste umfassenden und begeisternden Urkunst der Sprache hochwirksame Belebungs- und Erneuerungskräfte strömen können. Sie hat reiche Quellen für den Fortbestand der eigentlichen Menschlichkeit erschlossen; wir dürfen diese Quellen nicht versiegen und in missverstandener Wissenschaftlichkeit vertrocknen lassen. Sprachgeistige Lebensquellen wollen unser Denken beleben, befruchten, aus den Angeln heben und uns in unserem inneren Wesen neu erfinden und begründen.
In der kongenialen Zusammenarbeit Rudolf Steiners mit Marie Steiner-von Sivers gerade auf sprachkünstlerischem Felde finden sich sowohl der Ausgangspunkt der Anthroposophie – gemeinsam begründeten sie die Anthroposophische Gesellschaft, verantworteten sie die esoterische Schulung – als auch deren heute noch verschüttete Zukunftskräfte. Am Anfang des öffentlichen Wirkens von Rudolf Steiner stand die Entwicklung und Anwendung von Sprachübungen für Arbeiter, in späteren Jahren erfolgte die Sprachschulung für Vortragsredner, Schauspieler, Lehrer, Priester. Rudolf Steiner war Sprachschöpfer und Sprachgestalter aus ganzem Herzen, sein Lebenswerk ist ein in geisteswissenschaftlich erweitertem Sinne sprachkünstlerisches. Er entfaltete eine grenzüberschreitende und universale Wissenschaft auf dem Boden eines erneuerten Sprachverständnisses, aus der Mitte einer tiefgreifenden Logos-Wirksamkeit, aus der Weltbewegungskraft der Sprache heraus.